Erster China-Bus in Deutschland
 

VERLAG EUROBUS GMBH

Erster China-Bus in Deutschland

Samstag, 28.06.2008

„Der zieht gut durch,“ kommentiert Busfahrer Willi Gunkel die ersten Kilometer auf der Schnellstraße. Kurz vorher, auf dem Betriebshof von Georg Eitenmüller in Michelstadt, hörten sich die Kommentare noch ein wenig anders an. Fehlende Ablagen, unschöne Gurtmontage, schwammiger Fahrersitz und mehr. Kein Wunder: Der langjährige Buspilot musste von einem Lion´s Coach auf den Exoten aus China umsteigen. Seine Chefin Emmi Poguntke – eine erfahrene Busunternehmerin – ist jedoch überzeugt, eine gute Entscheidung getroffen zu haben. „Von Bedeutung ist, was mich das Fahrzeug über die nächsten fünf Jahre kostet.“ Klar, angesichts des immer härteren Geschäfts ist nicht jedes Unternehmen bereit, auf Dauer in Markentreue zu investieren. Was zählt, ist Wirtschaftlichkeit und Zuverlässigkeit. Diesbezüglich setzt Emmi Poguntke Vertrauen in die technischen Komponenten bekannter Hersteller und auf den Service durch Importeur Eitenmüller. Selber aktiver Busunternehmer, weiß er, worauf es in der täglichen Praxis ankommt. Preislich steht King Long enorm günstig da. Wo bekommt man schon einen Viersterne-Hochdecker mit Lederausstattung für 180000 Euro zu kaufen? Trotzdem läuft das Geschäft nicht so einfach an. Schließlich gibt es eine Hürde namens Homologation. Dafür gibt es Organisationen wie TÜV oder DEKRA, die peinlich genau darauf achten, dass auch die letzten Ziffern von Typenbezeichnungen den nationalen bzw. EU-Vorgaben entsprechen. Trotz identischer Baumuster haperte es mitunter an der Beschriftung durch die chinesischen Hersteller, selbst wenn es nur ein Pünktchen war, das fehlte. Die nötigen Anpassungen sowie Verbesserungsvorschläge durch Georg Eitenmüller sorgten fast wöchentlich für Flüge ins Reich der Mitte. Seine Kontaktpersonen im Werk – man kommuniziert englisch – hatten für ihren deutschen Partner denn auch schnell einen Spitznamen weg: „Mister TÜV“! Die Zusammenarbeit ist gut und es wurden alle Hebel in Bewegung gesetzt, um den ersten Reisehochdecker des Typs XMQ 6127 in Deutschland zulassungsreif auszustatten. Gute Nerven, nach empfundener Schikane ein Wechsel zur nächsten Prüfstelle und der Anmeldung stand nichts mehr im Wege. Etwa 500000 Euro hat der Aufwand gekostet. Kein Pappenstiel, und es stehen noch weitere Bustypen an. So ein Midi-Reisebus des Typs XMQ 6900, der baldmöglichst an einen Betreiber in Sachsen ausgeliefert werden soll. Zudem sind die ersten Niederflurbusse (XMQ6121G) in Vorbereitung, die auf Odenwälder Linien getestet werden, bevor sie Kunden zur Verfügung stehen werden. ÖPNV-Riesen waren Auslöser Georg Eitenmüller ist Inhaber des 1969 gegründeten Reisedienstes Strauss und Geschäftsführer der übernommenen Wehnert-ETI GmbH. Deren Schwerpunkt liegt im Linienverkehr, auf eigenen Strecken sowie als Auftragsnehmer der Rhein-Main Verkehrs GmbH. Was hat den Odenwälder dazu gebracht hat, sich ausgerechnet mit dem Vertrieb von chinesischen Omnibussen ein weiteres Standbein aufzubauen? Es ist die Konkurrenz der ÖPNV-Riesen, die seit einigen Jahren in Deutschland aktiv sind. Gegen deren Preisdumping kann ein kleines oder mittelständisch strukturiertes Busunternehmen kaum mithalten, will es auf gesunder Basis kalkulieren. Zeitgleich mit dieser Entwicklung erfuhr Eitenmüller von den King Long-Aktivitäten in Europa. So sind auf Malta bereits 84 Linienbusse der Chinesen im Einsatz. Robuste, preiswerte Fahrzeuge, genau wie sie die zumeist kleinen Betreiber des Inselstaats benötigen. Darüber hinaus konnten mit Schwerpunkt Italien bereits 50 King Long-Reisebusse verkauft werden. Schnell waren Kontakte geknüpft und Eitenmüller bewarb sich als Generalimporteur für den deutschsprachigen Raum. 2007, zur Fachmesse Busworld, stellte King Long gleich eine ganze Truppe europäischer Vertriebspartner vor. Darunter Georg Eitenmüller, der zusätzlich noch für den polnischen Markt beauftragt wurde. Die Busworld-Tage überschnitten sich mit der Ankunft des ersten Hochdeckers für Deutschland im Seehafen Antwerpen. Nach Tausenden Kilometern mit dem Vorführbus ist Eitenmüller von „seinem“ Produkt fest überzeugt. „Es sind robuste Busse mit hochwertiger Ausstattung.“ Eigenwillige Bedienung Buspilot Willy Gunkel genießt inzwischen seinen ausgetauschten Fahrersitz und berichtet von den ersten Touren mit dem China-Bus. Die Ablagen wurden ebenso nachgerüstet wie gängige Steckdosen mit 220 Volt-Spannung. An die eigenwillige Zuordnung der Schalter hat er sich gewöhnt, bemängelt jedoch Warnleuchten, deren Funktion kaum erkennbar sind. Das installierte Radio besitzt zwar eine Karaoke-Schaltung, jedoch keinen Verkehrsfunk und wird daher auf eigene Rechung ausgetauscht. Lenkung, Bremsen und Retarder funktionieren zuverlässig, die Sicht über die Spiegel ist gut. Für das linke Bein hat der Buspilot jetzt mehr Platz „zum Abstellen“ als bisher. Der auf der ersten Reise erzielte Verbrauch von Ø 24 bis 25 Litern bei vollbesetztem Bus kann nur als sehr wirtschaftlich eingestuft werden. Einige Klappen mussten justiert werden und vom Antrieb kommen noch zu viele Geräusche durch, was auch Fahrgäste angemerkt hatten. Die Reisenden wurden nämlich nicht nur mit einem Sektumtrunk auf den neuen Bus eingestimmt, sondern auch um persönliche Eindrücke gebeten. Demnach fehlen fensterseitige Armlehnen und der Mitteleinstieg wird als zu steil empfunden. Pluspunkte gab es für die komfortablen Sitze – deren Bedienung durch Symbole als sehr einfach empfunden wird – und die insgesamt ansprechende Gestaltung des Busses. Neu für Willy Gunkel wie auch seine Chefin war der Umgang mit dem digitalen Tachografen, den King Long weit unten installiert hatte. Der langjährige Buspilot hat dazu eine Anregung parat: Eine Schnittstelle zum zentralen Display, um die Bedienung zu erleichtern. Keine schlechte Idee, denn auch in vielen anderen Bussen ist der Tachograf einfach zu tief in die Konsole montiert und daher umständlich zu bedienen. Abschließend: Der Einstieg als King Long-Importeur ist für Georg Eitenmüller sicherlich kein Kinderspiel. Dennoch: Die guten Beziehungen zum Hersteller und das flexible Handling im Werk könnten sehr bald dazu beitragen, dass die Produkte weitgehend auf den europäischen Markt abgestimmt sind. Besonders interessant wird es werden, wenn die ersten chinesischen Niederflurbusse zum Einsatz kommen. Bewähren muss sich auch der versprochene Service, das A + O für jeden Betreiber. Jürgen Görgler

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