Hannover. (lop) Die Nacht des 4.11.2008 hat der gesamten Bus-Branche nach einer langen Zeitspanne ohne spektakuläre Busunfälle eine unvorhersehbare Katastrophe gebracht: 20 tote und 12 teils schwer verletzte Businsassen bei einem Brandunfall auf der A2 kurz vor dem Ziel Hannover, wobei der Reisebus, ein MB Tourismo des Busunternehmens Mommeyer aus Hannover, binnen kürzester Zeit völlig ausbrannte. Technischer Defekt Nach den neuesten Erkenntnissen wird ein technischer Defekt in der Toilettenkabine als Ursache vermutet, nachdem zunächst davon ausgegangen war, dass eine unsachgemäß entsorgte brennende Zigarette einen Schwelbarnd ausgelöst haben könnte. Das endgültige Gutachten der Brandexperten wird in einer Woche erwartet. Entflammbare Materialien – wie etwa textile Einkäufe von der Einkaufsfahrt und die Kleidung der Businsassen – könnten dazu beigetragen haben, dass sich die Flammen derart schnell ausbreiteten. Der Busfahrer, der selbst schwere Brandverletzungen davontrug und zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses noch nicht vernommen werden konnte, versuchte noch Fahrteilnehmer – teils auf Geh-Hilfen angewiesen – aus dem vorderen Bereich des Busses zu evakuieren. Für den Einsatz eines vorhandenen Feuerlöschers war es wohl durch das schnelle Ausbreiten der Flammen bereits zu spät, da zudem Panik ausgebrochen war. Materialien nachbessern? Die Frage bleibt nach der Entflammbarkeit der Materialien im Bereich Innenausstattung der Busse. Andreas Frenzel, Geschäftsführer des führenden Businnenausstatters Frenzel aus Obersulm-Sülzbach klärt auf: „Bei der Innenausstattung dürfen nur Materialien verwendet werden nach der EG Richtlinie 95/28.“ Dies wird vom TÜV oder Kraftfahrt-Bundesamt überprüft und mit einem Zertifikat bescheinigt. In der Toilette selbst werden glasfaserverstärkte Kunststoffe (GFK) verwendet, die leicht sind und eine hohe Festigkeit darstellen. Sie sind mit Lack überzogen. Auch der Tourismo, bekanntlich in der Türkei gebaut, wird nach EU-Norm auf internationalen Standard überprüft und zertifiziert. Stoffe ein Problem? Die größte Oberfläche der Innenausstattung bieten die Stoffe. Je nach Webdichte sind sie wegen Sauerstoffdurchlass mehr oder weniger brandanfällig. Tatsache ist aber auch, dass die Vorschriften für Bus-Stoffe – Mischgewebe, Wolle, Acryl, Synthetik – in Bezug auf Brennbarkeit und Gasentwicklung weniger streng sind als bei der Bahn, was nach übereinstimmender Expertenmeinung mit den längeren Evakuierungszeiten bei Bahnunglücken zusammenhängt. „Sie können aber auch Passagiere in einen Bus setzen, der komplett ohne Stoff und nur mit Aluminiumsitzen ausgestattet ist – das Restrisiko Brennbarkeit der Kleider der Menschen bleibt immer“, gibt Thomas Recknagel, Vertriebsleiter der E. Schoepf GmbH, zu bedenken, die als Stoffhersteller für Bus und Bahn beide Seiten kennt. Als zusätzliches „brennbares Material“ im Bus sind auch die Schäume in den Sitzen selbst bekannt, die eine heiße Schmelze ähnlich wie bei Autoreifen erzeugen können. Thema Krisenmanagement Obwohl das Busunternehmen nicht Mitglied im zuständigen Landesverband ist, dem Gesamtverband Verkehrsgewerbe Niedersachsen (GVN), wurde Mommeyer im Rahmen des Krisenmanagements des Bundesverbandes bdo, des RDA über dessen RBI-Team (RDA-Busunfall-Intervention) und des GVN über Hauptgeschäftsführer Bernward Franzky, Unterstützung in medialer Hinsicht angeboten. Denn bei Mommeyer steht die Boulevard-Presse Schlange… Übrigens: Am 9. Dezember bietet der bdo in Berlin ein hochaktuelles Seminar zum Thema Krisenmanagement an.